Komuso-Shakuhachi
von IKKEI N. Hanada
Die Shakuhachi fand im 8. Jahrhundert ihren Weg von China nach Japan. Damals wurde sie als Teil der Hofmusik gespielt. Im 13. Jahrhundert lösten sich Shakuhachi-Musiker aus der Hofkultur und gingen auf Wanderschaft. So brachten sie ihre Musik in die bürgerliche Welt und auch in abgelegene Provinzen. Seit dieser Zeit entwickelte sich eine neue Art, Shakuhachi zu spielen.
Im 15. Jahrhundert wurden die meisten japanischen Künstler stark vom Zen–Buddhismus beeinflusst, und dies wirkte sich auch auf das Spiel der Shakuhachi aus. Der Zen- Meister, der auf die Shakuhachi-Spieler in Japan den stärksten Einfluss hatte, war Fuke. Er lebte im China des 9. Jahrhunderts. Fuke galt als exzentrisch, frei und unabhängig. Die japanischen Shakuhachi-Spieler, die damals Komuso („Mönche der Leere“) genannt wurden, entwickelten Sehnsucht nach dem Zen-Geist von Fuke und wollten diesen Geist mit der Shakuhachi ausdrücken. So entstand die Fuke-Schule.
Im 17.Jahrhundert kontrollierte und unterstützte die Shogunatsregierung die Fuke-Schule. Sie wurde der Rinzai-Schule, der größten Zen-Schule in Japan, angegliedert. Die Fuke-Schule war allerdings nur den Samurai vorbehalten. Diese mussten sich aufrichtig für den Zen-Weg entschieden haben.
Nach dem Zusammenbruch der Shogunatsregierung im 19. Jahrhundert wurde die Fuke-Schule von der neuen Regierung als offizielle buddhistische Schule verboten. Deshalb sind damals viele Shakuhachi- Tempel verschwunden. Die Shakuhachi entwickelte sich seitdem mehr und mehr zu einem rein musikalischen Instrument.
Weil der Shakuhachi-Tempel Itchoken glücklicherweise von dem ältesten Rinzai-Tempel in Japan, dem Shofukuji-Tempel unterstützt wurde, war es möglich, die traditionellen Stücke der Fuke-Zen-Shakuhachi bis heute zu bewahren und zu überliefern.
Bei den Stücken im Itchoken-Tempel geht es um den Atem. Dazu gibt es die folgende Geschichte: Als Hannyatara, der Lehrer von Bodhidharma, eines Tages von einem König in Ostindien zusammen mit anderen Mönchen eingeladen wurde, um Sutren zu rezitieren, machte er nur Zazen-Meditation und rezitierte kein einziges Sutra. Als der König ihn fragte, warum er kein Sutra rezitiere, antwortete Hannyatara:
„Ich atme nicht nach der irdischen Beziehung aus. Ich atme nicht in der irdischen Welt ein. Ich rezitiere das wirkliche Sutra, immer, und unendlich viele Sutra-Bände.“
Shakuhachi-Spielen bedeutet, das wirkliche Sutra zu rezitieren. Ein Komuso ist ein Übender auf dem buddhistischen Weg und befindet sich auf der Suche nach der Leerheit. In Japan spielt ein Komuso die Shakuhachi-Bambusflöte traditionell beim Bettelgang, welcher zu den wichtigsten buddhistischen Übungen gehört. Dabei trägt er einen Tengai, eine korbähnliche Kopfbedeckung, welche symbolisch für die Welt der Buddhas steht. Er spielt Shakuhachi unabhängig von der irdischen Welt.
Die Komuso
von RENKEI Y. Hashimoto
Komuso – die Mönche der Leere. Dies sind die japanischen Shakuhachi-Mönche, die alles hinter sich lassend ihr Leben der Praxis des Sui-Zen widmen, dem Zen des Shakuhachi-Spielens, um den Ton des Einen, „Ichion“, auszudrücken. Sie suchen nicht die Öffentlichkeit, sodass sie im heutigen Japan kaum mehr in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Fragte man heute 20-jährige Japaner nach der Bedeutung des Namens „Komuso“, fast alle würden sie nicht kennen.
Dennoch wird der Geist des Komuso in Japan bewahrt, von Meister zu Schüler, von Spieler zu Spieler übertragen und überliefert. Es ist ein Geist, der über Epochen hinweg, über historische Geschehnisse hinausgehend als Wahrheit zeitlos immer weiter bestehen wird.
Formal ist die Komuso-Schule der japanischen Rinzai-Zen-Schule zugeordnet. Jedoch der Klang der Shakuhachi, als Metapher für die Stimme der Bodhisattva des Mitgefühls, Kannon, übersteigt umfassend trasnszendierend diesen Formalismus, wie Legende und literarische Fußspuren der Shakuhachi zeigen.
Der Geist der Komuso-Shakuhachi lebte im Wander-Künstler des 8. Jahrhunderts, in den Bettelmönchen, Theaterspielern, einfachen Straßenmusikern, in den Künstlern der Anrufung Buddhas, Nembutsu, in den Kriegern des 15.Jahrhunderts; er lebte im Geist des berühmten Rinzai-Mönchs Ikkyu, und er lebte in den Komuso der Fuke-Schule des 17.Jahrhunderts. Und heute, im 20. Und 21. Jahrhundert, verharrt der Ton nicht in Japan, sondern wird auch gehört in Amerika, in Europa und anderswo in der Welt.
In der Zen-Schule wird die Shakuhachi Hocchiku (religiöses Instrument) genannt. Das Leben dem Leben überlassen, das ist die Praxis. Konkret richtet sie sich aus auf das richtige Atmen. Es geht nicht um „schön“ spielen oder um das Können des Spielers, die Beherrschung der schwierigen Technik. Es geht um den Atem. Betrachten wir die das Notenblatt des Spielers, so nehmen wir wohl eher die notenlosen Atempausen wahr als das Spielen der Noten.
Bei der Herstellung der Komuso-Shakuhachi wird der Bambus möglichst in seiner natürlichen Form bewahrt. Diese Shakuhachi ist einteilig, im Gegensatz zu den modernen zweiteiligen Instrumenten. Die innere Struktur des Bambusstücks wird erhalten, dadurch hat der Klang des Instruments mehr Farbe und Ausdrucksmöglichkeiten.
Die Komuso-Shakuhachi klingt traurig, mitfühlend und tröstend, so, als ob der Bambus die Vergänglichkeit des irdischen Lebens kennen würde und selbst alles Leiden schon erfahren hätte. Das religiöse Instrument Shakuhachi drückt alles aus: die tiefe Traurigkeit des Menschen, die Vergänglichkeit, die wir nicht ändern können und akzeptieren müssen. Die Shakuhachi lehrt uns mit ihrem mitfühlenden Klang, dass man in diesem vergänglichen Leben nicht anders als im Hier und Jetzt leben, mit dem ganzen Körper und Geist, und Shakuhachi spielen kann. Und durch das richtige Atmen in dieser vergänglichen Welt lernt man, eine rechte Lebensweise zu verwirklichen.